Plötzlich blind

Die seltene, genetisch bedingte Augenerkrankung LHON reißt Betroffene unerwartet und plötzlich aus ihrem Alltag
PROF. DR. KLAUS ROHRSCHNEIDER, Sektionsleitung Ophthalmologische Rehabilitation, Universitätsklinikum Heidelberg
Santhera Beitrag

Herr Prof. Rohrschneider, die Leber’sche Hereditäre Optikus-Neuropathie, kurz LHON, ist nicht nur eine seltene, sondern extrem heimtückische Krankheit.
Absolut richtig. Zunächst betrifft LHON nur etwa einen unter 30.000 Personen. Überwiegend erkranken Männer zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr an der erblichen Augenerkrankung. Es kann aber auch Frauen, Kinder und ältere Menschen treffen. Heimtückisch ist dabei der Verlauf: Die Betroffenen verlieren innerhalb kurzer Zeit ihre Sehkraft auf einem Auge, in der Regel folgt das zweite Auge aber ebenfalls binnen weniger Monate. Damit wird quasi von einem Tag auf den anderen ihr Leben auf den Kopf gestellt – ohne ersichtlichen Grund und in einer Lebensphase, in der man noch fast alles vor sich hat.

 

Was weiß man über die Ursache von LHON?
Wir wissen mittlerweile, dass eine DNA-Mutation der Mitochondrien für LHON verantwortlich ist, die ausschließlich über die mütterliche Linie vererbt wird. Interessant dabei ist, dass nicht jeder Träger der Mutation auch erkranken muss. Das heißt, der eigentliche Auslöser für den Sehverlust ist nicht bekannt. Mitochondrien werden umgangssprachlich auch als Zellkraftwerke bezeichnet. Das liegt daran, dass ihre wichtigste Funktion darin besteht, Adenosintriphosphat, kurz ATP, zu produzieren, den universellen Energieträger aller Zellen. Hier liegt auch eine Vermutung, warum die DNA-Mutation der Mitochondrien gerade das Auge betrifft: Es ist eines der Organe mit hohem Energiebedarf.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für die Betroffenen?
Die ATP-Produktion der Mitochondrien erfolgt über die Atmungskette. Mittlerweile gibt es ein Medikament auf dem Markt, dessen Wirkstoff diese Atmungskette vereinfacht ausgedrückt verbessert und somit den Schaden überbrücken kann. Heilbar ist LHON jedoch nicht. Wobei für die Betroffenen gilt: Jede Verbesserung, und sei sie noch so klein, ist ein großer Gewinn.

 

Wie wichtig ist es, LHON frühzeitig zu erkennen?
Gerade mit Blick auf die medikamentöse Therapie gilt: Je geringer die bisherige Schädigung, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verbesserung der Sehstärke erzielt werden kann. Auch eine Familienanamnese kann in diesem Zusammenhang sinnvoll sein.

 

Kann man denn vor Ausbruch der Erkrankung als Träger der Mutation präventive Maßnahmen ergreifen?
Es ist sinnvoll, andere Noxen der Atmungskette wie Kohlenmonoxid oder Blausäure zu vermeiden, das heißt vor allem nicht zu rauchen und z. B. auf Nüsse zu verzichten.

 

Braucht es für ein schnelles Handeln bei Auftreten erster Symptome mehr Aufklärung bei Ärzten und Patienten?
Definitiv. Niedergelassenen Kollegen kann man keinen Vorwurf machen, wenn sie zunächst etwa an eine Entzündung des Sehnervs denken. Schließlich gibt es nur etwa 80 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr. Wenn dann jedoch keine Besserung eintritt oder das zweite Auge befallen wird, sollte man schnell auch an LHON denken und an einen Spezialisten überweisen. Mehr Aufklärung ist dafür ein wichtiges Kriterium.

 

 


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