Was darf mein Roboter?

Vernetzte und individualisierte Fertigung ist in modernen Fabriken ohne Roboter nicht denkbar. Die nächste Generation sind kollaborierende Roboter, sogenannte „Cobots“. Sie arbeiten direkt am Arbeitsplatz eng mit dem Menschen zusammen.
Illustration: Mario Parra
Illustration: Mario Parra
Mirko Heinemann Beitrag

In einer hochautomatisierten, digitalen Fabrik sind sie sowohl Werkzeug wie auch eine Schnittstelle für Daten. Kein Zweifel: Cobots sind der Schlüssel zur Industrie 4.0.

Wo Menschen und Maschinen eng zusammenarbeiten, stellen sich neue Fragen. Was darf der Roboter, wo sind seine Grenzen? Wer ist verantwortlich, wenn er Fehler macht? Hersteller verweisen gern darauf, dass dort, wo Cobots arbeiten, das Verletzungsrisiko insgesamt sinkt. Viele konventionelle Sicherheitsvorkehrungen werden überflüssig, Sicherheitstechnik, Schutzzäune, die Industrieroboter sonst umgeben, entfallen. Moderne Cobots, die in der Fertigung arbeiten, verfügen über Sensoren, die ihre Aktionen sofort verlangsamen oder abstellen, wenn es einen unerwarteten Kontakt gibt.

Die menschenleere Fabrik, da sind sich Experten einig, wird es auf absehbare Zeit nicht geben. In einer automatisierten Fabrik werden Menschen nach wie vor in der Produktion den Ton angeben, mit dem Unterschied: Spezielle Aufgaben übernehmen Cobots. Sie heben Lasten, führen eintönige Tätigkeiten aus, sie arbeiten im mikroskopischen Bereich, sortieren, zählen, rechnen.

Und, ginge es nach dem russisch-amerikanischen Biochemiker und Science-Fiction-Autor Isaac Asimov, unterstehen sie klaren Gesetzen:

1. Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder dies durch Untätigkeit zulassen. 2. Roboter müssen den Befehlen von Menschen gehorchen. 3. Sie müssen ihre eigene Existenz schützen, solange sie dabei nicht gegen Gesetz Nummer 1 verstoßen. Diese drei Roboter-Gesetze hat Asimov bereits im Jahr 1942 publiziert.

Aber brauchen wir wirklich Roboter-Gesetze? Diese Frage beschäftigt die Menschen seit der Industrialisierung, schon Fritz Langs legendärer Stummfilm „Metropolis“ wirft die Frage nach einer Ethik von Maschinen auf. In der fertigenden Industrie gehören solche Fragen bislang in den Bereich Sicherheit und sind klar definiert. Das könnte sich ändern, sobald selbstständig navigierende und selbstständig agierende Maschinen auf dem Firmengelände unterwegs sind. Dann wird man sich auch hier mit komplexeren Fragen auseinandersetzen müssen.

Bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang das Dilemma der autonomen Fahrzeuge. Wie müsste das Roboterfahrzeug entscheiden, wenn auf einer Landstraße ein überholendes Fahrzeug entgegenkommt? Soll es über den Straßenrand hinaus ins Feld fahren, wo sich eine Gruppe Kinder aufhält? Oder hält es die Spur mit dem Risiko, die Fahrgäste zu verletzen?  

Während Menschen hier instinktiv handeln würden, könnte der Roboter aufgrund seiner schnellen Prozessoren eine Entscheidung treffen. Die müsste aber bereits in seiner Programmierung, dem Algorithmus, angelegt sein. Aber welche Kriterien sollen darin verankert sein? Auf Bundesebene beschäftigt sich seit Herbst 2016 eine Kommission aus Wissenschaftlern, Informatikern, Ingenieuren und Philosophen mit solchen Fragen. Auf Basis ihrer Empfehlungen wurde das Gesetz verabschiedet, mit dem vor einem Jahr der Betrieb autonomer Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen ermöglicht wurde. Danach gelten zwei Grundsätze: Sachschaden ist Personenschaden zu bevorzugen. Und es darf keine Klassifizierung von Personen geben, etwa nach Größe oder Alter.

Was würde Isaac Asimov wohl dazu sagen? Darf das Leben von vielen Kindern gegen das Leben weniger Insassen aufgewogen werden? Über den zugespitzten Fall hat die Ethik-Kommission schon ausführlich beraten. Eine ethisch vertretbare Entscheidung, so ihr Schluss, ist hier nicht vorstellbar. Menschenleben dürften niemals gegeneinander abgewogen werden.

Beruhigend ist das Wissen darum, dass der Roboter auch jede noch so kleine Lücke finden und das Dilemma auflösen könnte – im Gegensatz zum Menschen. Deshalb wäre  die Wahrscheinlichkeit in der Realität recht hoch, dass ein Roboter selbst im Extremfall beide retten könnte: die Kinder wie auch seine Fahrgäste.

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