»Wir müssen Vorreiter der digitalen Transformation sein!«

Der Siemens Deutschland-Chef, Uwe Bartmann, erklärt, wie er den Mauerfall erlebte und wie Siemens die digitale Transformation Deutschlands vorantreibt.
Uwe Bartmann;CEO;Siemens Deutschland
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Herr Bartmann, wir feiern 28 Jahre Einheit. Damit ist die Teilung Deutschlands durch die Mauer so lange her, wie sie andauerte. Wie haben Sie die Zeit damals erlebt?
So unvorstellbar die Teilung Deutschlands aus heutiger Sicht erscheint, so zementiert und unveränderbar war sie in meiner Kinder- und Jugendzeit präsent. Ich war 24 als die Mauer fiel und konnte nicht glauben, was da geschieht. Es grenzt an ein Wunder, dass dieser Umbruch friedlich ablief. Am meisten hat mich die Euphorie und Aufbruchsstimmung in dieser Zeit beeindruckt. Nicht zu vergessen die enorme Aufbauleistung, die in den zurückliegenden drei Jahrzehnten geleistet wurde.
 

Jede Zeit hat ihre ganz besonderen Herausforderungen. Heute ist es die Digitalisierung, die grundlegende Veränderungen treibt. Wie ist die deutsche Wirtschaft hier gegenwärtig aufgestellt?
Die digitale Transformation der Wirtschaft bedeutet die Vierte Industrielle Revolution in Deutschland. Die Potentiale sind enorm und die Stunde der Umsetzung ist gekommen. Wer wartet, fällt zurück. Ganze Branchen verändern sich rapide. Bei Siemens können wir anhand tatsächlicher Kundenbeispiele zeigen, welche Möglichkeiten die Digitalisierung birgt – insbesondere für den deutschen Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft. Aus diesem Grund ist die digitale Transformation des Mittelstands elementar für die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts.

 

Welche Möglichkeiten ergeben sich für mittelständische Unternehmen konkret?
Bereits heute können wir die gesamte Wertschöpfungskette unserer Kunden digitalisieren und digital abbilden. Das Ergebnis ist ein sogenannter „digitaler Zwilling“ von Produkt, Produktion und Performance. Der Schritt zum „digitalen Unternehmen“ ermöglicht deutlich höhere Flexibilität, kürzere Markteinführungszeiten, größere Effizienz und bessere Qualität. Somit können Unternehmen auch besser auf individualisierte Kundenwünsche eingehen.


Haben Sie hierzu ein Beispiel aus der Praxis?
Gern. Bausch + Ströbel fertigt Spezialmaschinen für die Pharmaindus-trie. In der Entwicklung musste das Unternehmen früher auf Basis der Kundenwünsche ein Holzmodell in Originalgröße bauen, um mechanische Eigenschaften und Ergonomie zu testen. Heute bilden sie auf Grundlage von Daten neue Maschinen virtuell ab, bevor sie gebaut werden. Mit 3D-Brille wird das virtuelle Modell getestet und optimiert. Änderungen werden direkt am digitalen Zwilling durchgeführt und er wird solange optimiert, bis Ingenieure und Kunden zufrieden sind – ganz ohne Holzmodell. Das spart Zeit und Geld.

 

Sie sind CEO von Siemens Deutschland und Ihr Unternehmen bietet innovative Infrastrukturlösungen unterschiedlich-ster Art. Wie beeinflusst die Digitalisierung das Leben in Ballungsräumen?
Wir sehen seit Jahren einen Zustrom in die Städte. Prognosen der Vereinten Nationen zufolge, sollen bis 2050 sogar 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Damit diese Städte von morgen gesünder, lebenswerter und entspannter sein können, müssen sie vor allem eins sein: schlauer. In intelligenten Städten können wir Verkehrsströme bedarfsgerecht lenken und den städtischen Nahverkehr optimieren. Fahrerlos betriebene U-Bahnstrecken beispielsweise ermöglichen höhere Taktraten und befördern so mehr Menschen.

 

Welche Auswirkungen haben diese Innovationen auf Umwelt und Schadstoffbelastung?
Wenn wir es richtig anpacken, wird die Digitalisierung eine Mobilitätsrevolution auslösen. Denn das ist es, was unsere Städte zum einen brauchen, um den Klimawandel eindämmen zu können: Dazu gehören digital vernetzte Fahrzeuge mit Elektroantrieben und smarte Verkehrsleitsysteme sowie intelligentes Parkraummanagement. Das ist das eine. Zusätzlich brauchen wir aber auch intelligente Gebäude. Gebäude verbrauchen 41 Prozent des globalen Energiebedarfs und produzieren ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen – mit intelligenter Gebäudeautomation können diese Zahlen signifikant gesenkt und die Umwelt geschont werden.

 

Die Reduzierung des Energieverbrauchs ist eine wichtige Seite für eine erfolgreiche Energiewende. Was braucht es noch?
Erneuerbare Energien müssen zu wettbewerbsfähigen Kosten verfügbar sein und um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen, müssen die benötigten Stromautobahnen und intelligente Netze gebaut werden. Auch die Entwicklung von Energiespeichern ist ein wichtiges Element. Damit die deutsche Energiewende gelingt, müssen wir mehrere Hebel zeitgleich in Bewegung setzen.
 

Was tut Siemens?
Wir bieten nicht nur unseren Kunden und Partnern innovative Lösungen, sondern haben uns als Unternehmen selbst das Ziel gesetzt, bis 2030 CO2-neutral zu werden.
 

 

Siemens wurde vor über 170 Jahren in Deutschland gegründet. Was leisten Sie als Unternehmen für die deutsche Gesellschaft?
Einiges! Wir übernehmen Verantwortung als Arbeitgeber, als Ausbilder, als Steuerzahler und als Partner der deutschen Wirtschaft. Wir bilden aktuell 8.800 junge Menschen in Deutschland aus. Mehr als eine halbe Million Patienten werden hierzulande täglich mit Medizintechnik von Siemens versorgt. 50 Prozent des deutschen Stroms werden mit unserer Technik erzeugt. Mit der Siemens Stiftung und dem Siemens Arts Program unterstützen wir Pädagogen und Kunst- und Kulturschaffende – und dies sind nur wenige Beispiele. Wir sind Teil der Gesellschaft. Aus diesem Grund ist es für uns selbstverständlich, gesellschaftliches Engagement zu zeigen. Deshalb unterstützen wir in diesem Jahr die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Berlin.

 

Was wünschen Sie sich für Deutschland?
Ein prosperierendes Land. Ich wünsche mir, dass Deutschland ein wirtschaftlich erfolgreiches und gesellschaftlich stabiles Land bleibt – damit „Made in Germany“ auch in Zukunft weltweit für hervorragende Produkte und Dienstleistungen steht. Deshalb müssen wir Vorreiter der digitalen Transformation sein. Deutschland profitiert als Exportnation von Weltoffenheit. Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Meinungsfreiheit sind hierfür genauso elementar, wie eine klare Absage gegen Rassismus und Ausgrenzung.

 
Herr Bartmann, vielen Dank für das Gespräch.


www.siemens.de/digitalisierung

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