Hurra, wir leben noch!

Niedrige Zinsen, Demografie, Weltwirtschaft und Politik erlauben nur unsichere Prognosen. Warum wir heute ans Alter denken sollten.
Illustration: Agata Sasiuk
Illustration: Agata Sasiuk
Axel Novak Redaktion

Wir werden immer älter und reicher, und trotzdem sinkt der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2018 – um genau 0,1 Prozent auf 18,6 Prozent. Die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber werden durch die Absenkung um rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Möglich wird das, weil die Deutsche Rentenversicherung Ende 2017 knapp 32,9 Milliarden Euro auf der hohen Kante liegen haben wird.

„Die gesetzliche Rentenversicherung ist gut und verlässlich finanziert“, sagt die geschäftsführende Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Katarina Barley. Doch sie schränkt ein: „Aber die gesetzliche Rente muss auch weiter auf neue Herausforderungen eingestellt werden: Die Alterung der Gesellschaft wird absehbar zur großen Herausforderung, weil immer weniger Jüngere die Rente für immer mehr Ältere finanzieren müssen.“

Was heißt das übersetzt? Die Antwort ist einfach: So gut wie heute wird es uns wohl nie wieder gehen. Schon gar nicht, wenn all die Menschen, die als Babyboomer heute arbeiten und Beiträge einzahlen, selber in einigen Jahren Ansprüche erheben. Dann sinkt die Rente – gemessen am Prozentsatz des letzten Verdienstes – und es fallen möglicherweise geringere Rentensteigerungen an. Und dann wird bei einigen Menschen die berüchtigte Versorgungslücke zwischen Lebensstandard und Alterseinkommen klaffen. Die Frage ist, was dann mehr bleibt als der prägende Ausruf von Johannes Mario Simmel: Hurra, wir leben noch!

Seltsamerweise ist eine zusätzliche Altersvorsorge bei vielen Menschen bislang dennoch kein Thema. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um für das Alter vorzusorgen: Haus, Wohnung, Gold, Aktien oder Versicherungen? Die Lebensversicherung, lange Zeit der Deutschen liebstes Altersvorsorgeprodukt, hat heute leider eine schlechte Presse. 89,3 Millionen Verträge hatten die Deutschen Ende 2016 abgeschlossen – 1,8 Prozent weniger als zu Beginn des Vorjahres. Längst machen die niedrigen Zinsen aus dem einstigen Springpferd der Altersvorsorge einen lahmen Gaul. Die Versicherer haben deshalb ihre Angebote mit besseren Renditechancen weiterentwickelt: Neue Rentenversicherungen bieten mehr Freiheiten bei der Kapitalanlage. Die Versicherer können verstärkt in riskantere Wertpapiere, zum Beispiel in Aktien, investieren. Glück hat, wer noch über einen hoch verzinsten Vertrag aus früheren Jahren verfügt. Der darf sich heute noch über eine Verzinsung freuen, die für Neuabschlüsse nicht mehr realisierbar ist – und sollte keinesfalls ohne Not kündigen oder verkaufen.

Die zweite Säule der Deutschen Absicherung ist die betriebliche Altersvorsorge. Sie hat in den vergangenen 15 Jahren an Popularität gewonnen: Die Zahl der aktiven Anwartschaften ist von 14,6 Millionen 2001 auf 20,4 Millionen 2015 deutlich gestiegen. Allerdings machen den betrieblichen  Versicherungen die niedrigen Zinsen zu schaffen. Hinzu kommt: Wer seinen Arbeitgeber wechseln will, muss einiges beachten, um seine Ansprüche mitnehmen zu können. Auch bei der betrieblichen Altersvorsorge gilt der alte Grundsatz: Wer hat, dem wird gegeben. Weil betriebliche Altersvorsorge als Instrument für das erfolgreiche Employer Branding genutzt werden kann, wird sie besonders von denjenigen Unternehmen genutzt, die darauf Wert legen und daher gut dastehen. Ob aber die Unternehmen die hohen Erwartungen in wirklich langjährige Anlagen erfüllen können, steht auf einem andern Blatt. Altersvorsorge aber bedeutet Planung und Sicherheit für viele Jahrzehnte!

Bleibt also die private Vorsorge, zum Beispiel das Riestern. Unabhängig davon, ob einem Riester-Produkte gefallen oder nicht, hat die Bundesregierung die teilweise Privatisierung der Rente schon längst vollzogen. Die so genannte Riester-Treppe aus dem Jahr 2001 führte dazu, dass Arbeitnehmer  ihre Rente privat aufstocken müssen, wenn sie keine Rentenkürzung hinnehmen wollen.

Zu dem Zweck fördert der Staat Riester-Produkte – nur so ist es überhaupt möglich, diese Treppe auszugleichen. Dabei muss man einiges beachten. Weil die Riester-Renten in ihren verschiedenen Formen über Jahrzehnte den Kapitaleinsatz garantieren, ist ihre Rendite häufig nicht sehr hoch.

Wie bei anderen Vorsorge-Produkten stecken hier viele Deutschen im Dilemma: Wenn sie Autos, Elektrogeräte oder Reisen kaufen, informieren sie sich umfangreich. Bei Versicherungen und Vorsorgeprodukten aber verlassen sie sich gern auf Hörensagen und zweifelhafte Empfehlungen. Dabei sind gerade hier ausführliche Informationen wichtig, um teure Fehlabschlüsse zu vermeiden.

Wer wirklich langfristig an die eigene Rente denkt, kommt um Aktien nicht herum. Sicher, wer sich früher von so genannten Volksaktien verlocken ließ, hat heute oft verbrannte Finger. Andererseits wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wer den hohen Wertzuwachs bei Aktien in den vergangenen Jahren nicht zur Kenntnis genommen hat. Sogar Start-ups legen Programme auf, um Mitarbeiter durch Aktien am unternehmerischen Erfolg zu beteiligen. Dabei ist Aktie nicht gleich Aktie: Über günstige Depots bei Online-Banken verringert der Anleger seine Kosten. Und wer in so genannte Indexfonds investiert, der spart Gebühren und profitiert langfristig vom Wertzuwachs der Papiere.

Aber was machen die ganz Ängstlichen und die Unbekümmerten? Natürlich gibt es die Sorge, im drohenden Crash um sein Erspartes gebracht zu werden. Und dann gibt es Bürger, die auf den Staat vertrauen: Der wird das schon richten. Sie haben eine ganz andere Perspektive: die Einführung eines Bürgergelds. Ob die Grundsicherung im Alter einmal zur Mindestrente wird, ist derzeit nicht abzusehen. Gut möglich aber ist, dass in einer alternden Bevölkerung der politische Druck wächst, auch diejenigen gut zu versorgen, die in den vergangenen Jahren nichts für ihre eigene Vorsorge getan haben.

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