Kaufen, kaufen, verkaufen

Aktien billig kaufen, sie auf ihrem Höchststand verkaufen und damit reich werden – davon träumen viele. Warum das in den meisten Fällen misslingt, liegt in der Psychologie begründet.
Illustration: Agata Sasiuk
Illustration: Agata Sasiuk
J.W. Heidtmann Redaktion

Seit einigen Monaten sorgt auf Partys ein Thema für eifrige Debatten: der Bitcoin. „Hätte ich mal vor einem Jahr Bitcoins gekauft“, seufzt der eine, „dann wäre ich jetzt reich.“ Sagt der nächste: „Ich tue es jetzt. Ich steige jetzt ein.“ Der dritte: „Mach das nicht. Viel zu riskant.“ Ende vom Lied: Man stößt frustriert mit billigem Sekt an und sinniert über seine viel zu niedrigen Rentenansprüche: „Irgendwas mache ich falsch.“

Also: Jetzt anfangen? Alles Geld in die Hand nehmen und Bitcoins kaufen? Darauf spekulieren, dass sich der rasante Anstieg fortsetzt und man seinen Einsatz verdoppelt und verzehnfacht? Oder soll man auf Aktien eines schnell wachsenden Start-ups setzen? Auf eine Goldmine in Kanada? Während der Großteil der Deutschen sich sogar davor fürchtet, sein Vermögen in soliden Aktienfonds zu investieren, träumen einige Glücksritter vom schnellen Geld. Und manche sind  bereit, dafür hohe Risiken einzugehen.
 

Lehren der Verhaltensökonomie


Wer hohe Risiken eingeht, der hat auch die Chance auf hohe Gewinne, das ist richtig. Zugleich kann er viel oder sogar alles verlieren. Ein Lehrsatz der Verhaltensökonomie oder Behavioral Finance lautet: Wer versucht, schlauer zu sein als der Markt, hat schon verloren. Nur wer sein eigenes irrationales Verhalten kennt, hat eine kleine Chance.

Zunächst sollte man einschätzen können, wie man mit Ungewissheiten umgeht: Es gibt Menschen, die nicht mehr ruhig schlafen, wenn sie Risiken eingehen und sehr nervös werden, wenn ihre Geldanlage an Wert verliert. Anlageberater fragen daher ihre Kunden zunächst nach ihrem Risikoprofil, bevor sie die erste Empfehlung aussprechen. Das schreibt das Wertpapierhandelsgesetz vor. Sie müssen über die Erfahrungen und Kenntnisse ihrer Kunden Bescheid wissen und sie über die Risiken aufklären. Dann verfolgen Anlageberater die gemeinsam vereinbarte Strategie.

Gegenüber privaten Investoren haben professionelle Anlageberater den Vorteil, dass sie geschult sind. Außerdem spekulieren sie nicht mit ihrem eigenen Geld. Wer aber selbst mit Wertpapieren handelt, also wie ein Trader agiert, muss seine Risikobereitschaft jeden Tag mit sich selbst aushandeln. Und sollte einige grundlegende psychologische Zusammenhänge kennen. Denn wer glaubt, dass Marktgeschehen an der Börse mit objektiven Faktoren und rationalen Überlegungen einschätzen zu können, wird schnell eines Besseren belehrt.
 

Gefährliche Massenpsychologie
 

Die Entscheidung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren wird auch durch irrationale Meinungen und massenpsychologisches Verhalten beeinflusst. So reflektiert der Aktienkurs auch Hoffnungen und Befürchtungen, Vermutungen und Stimmungen von Käufern und Verkäufern. Die Börse ist insofern ein Markt von Erwartungen, auf dem die Grenze zwischen einer sachlich begründeten und einer eher emotionalen Verhaltensweise nicht eindeutig zu ziehen ist. Wenn etwa die Aktienindizes, wie derzeit, immer weiter nach oben streben, wächst das Vertrauen bei den Anlegern – und damit ihre Risikobereitschaft.

In diesem Fall werden Rückschläge am Aktienmarkt als „gesunde Korrektur“ gesehen, der grundsätzlich positive Verlauf aber nicht infrage gestellt. Stattdessen wird immer weiter investiert, die Kurve steigt immer steiler an, es kommt zeitweise zu einer Hausse, auch Bullenmarkt genannt. Dazu kommt das Gefühl, einen Trend zu verpassen. Alle kaufen Immobilien – also kauft man selbst auch eine. Aktien steigen seit Jahren und die Zeitungen loben sie in den Himmel? Auf den Zug muss man aufspringen. Jeder schließt eine Riester-Rente ab – dann auch ich. Steht das Handeln im Widerspruch zu den Verhaltensweisen der sozialen Gruppe, fühlt man sich unwohl.

Entsprechend - nur mit umgekehrtem Vorzeichen – zeigt sich diese emotionale Wahrnehmung bei einem anhaltenden Fallen der Aktienkurse. Der allgemeinen Tendenz widersprechende positive Ereignisse werden nicht beachtet oder als in den Kursen bereits enthalten bewertet. Die Masse läuft in dieselbe Richtung, und es entwickelt sich eine Baisse oder ein Bärenmarkt. Je nach Stimmungsphase an der Börse kann derselbe Umstand, der in einem freundlichen Börsenumfeld als positiv eingeschätzt wird, ein anderes Mal als negativ eingestuft werden.
 

Emotionslos handeln
 

Beim Aktienhandel geht es also vielmehr darum, Emotionen auszuschalten und einer einmal ausgeklügelten Strategie zu folgen – egal was passiert. Dazu braucht man gute Nerven und Stehvermögen. Anleger sollten möglichst viele Informationsquellen zu Rate ziehen, um die Ungewissheit über kapitalmarktrelevante Entwicklungen zu reduzieren. Dazu gehören Analystenempfehlungen, Presseveröffentlichungen und Börsenbriefe. Hier ist wichtig zu verstehen, welche Medien als Meinungsführer fungieren und so die Macht haben, ein großes Anlegerpublikum zu beeinflussen und damit bestimmte Trends zu verstärken oder sie zu bremsen.

Politische oder unternehmerische Entscheidungen können ebenfalls große Auswirkungen auf den Kapitalmarkt haben. Anstehende Unternehmensfusionen, eine Kapitalerhöhung oder eine Zinserhöhung habe direkte Auswirkungen auf den Kurs eines Unternehmens oder Indizes – ob positiv oder negativ, hängt wiederum von den Rahmenbedingungen ab. Wer an der Börse Erfolg hat, ist verleitet zu glauben, dass er das „Spiel durchschaut hat“. Diese Selbstüberschätzung ist die größte Gefahr, denn sie verleitet dazu, das Risiko immer weiter zu erhöhen. Wenn dann der Crash kommt, kann der Schock so groß sein, dass eine Grundregel außer Acht gelassen wird: Nach dem Crash ist vor der Chance. Wer nach dem Crash investiert, profitiert vom nächsten Aufschwung.
 

Den Index schlagen


Der große Traum den sie haben, nämlich auf lange Sicht die entscheidenden Aktienindizes wie Dow Jones oder den DAX zu schlagen, werden die wenigsten realisieren. Denn wer ständig versuche, schlauer zu sein als der Markt, verliere rund drei Prozent Rendite gegenüber dem Index, den er eigentlich übertreffen will, erklärte Martin Weber im Manager Magazin mit Verweis auf entsprechende Langzeitstudien. Das hektische Kaufen, Kaufen und Verkaufen verursache hohe Kosten, die bereits einen Großteil der erwarteten Rendite auffressen, so der Wirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim, wo er unter anderem Behavioral Finance lehrt.

„Wenn man den Markt nicht schlagen kann, kann man genauso gut mitschwimmen“, rät Weber. Durch Investments in Indexfonds zum Beispiel, die einen möglichst breiten Marktanteil abdecken und als passive Investments günstiger sind als aktiv gemanagte Fonds. Damit spare man nicht nur Geld, sondern sei auch besser gewappnet vor Gefühlsausbrüchen, die einen an der Börse meist teuer zu stehen kommen.

Nächster Artikel
Wirtschaft
Dezember 2023
Illustration: Mal Made
Redaktion

Selbst fahren oder fahren lassen?

Autonomes Fahren klingt längst nicht mehr wie eine Science-Fiction-Vision. Dennoch werden wir noch lange keine selbstfahrenden Autos auf unseren Straßen sehen. Aus gutem Grund.