Schöne neue Investmentwelt?

Kryptowährungen, FinTechs, Dauerniedrigzinsen – die Zeichen für die Finanzbranche stehen auf Veränderung. Langfristig sollte das auch Anlegern zugute kommen. Kurzfristig ist die neue Investmentwelt jedoch mitunter sehr verwirrend.
Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Julia Thiem Redaktion

Auf der Welt werde es letztendlich nur eine Währung geben und er persönlich glaube daran, dass es der Bitcoin sein wird. Mit dieser Aussage gegenüber der britischen Tageszeitung The Times überraschte nun Twitter-CEO Jack Dorsey. Er setzt vor allem deshalb auf die Kryptowährung, weil er glaubt, dass sich im Internet eine einheitliche Bezahlmöglichkeit herausbilden wird. Und auch vom G20-Treffen in Argentinien gab es erneuten Auftrieb für den Bitcoin: Die Finanzminister und Notenbankchefs haben mögliche Regulierungsansätze erst einmal vertragt und sich darauf geeinigt, Kryptowährungen zunächst weiter genau zu beobachten.

Dem begeisterten Internet-Visionär Dorsey stehen alteingesessene Finanzexperten wie der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan gegenüber. Ende vergangenen Jahres – damals hatte der Bitcoin gerade die Marke von 12.000 US-Dollar überschritten – hat Greenspan die Kryptowährung gegenüber dem amerikanischen Nachrichtensender CNBC mit Glückspiel in Las Vegas verglichen: „Bitcoin ist ein wirklich faszinierendes Beispiel dafür, wie Menschen einen Wert schaffen, beziehungsweise wie sie ihn einschätzen. Das ist nicht immer rational und kann aus dem Nichts entstehen. Das heißt aber nicht, dass es anschließend keinen Markt dafür gibt. Denn alles, was man dafür braucht, ist der Glaube, dass man an jemand anderen weiterverkaufen kann. Die Menschen kaufen allerlei Dinge, die keinerlei Wert haben. Sie spielen auch in Kasinos, obwohl die Chancen gegen sie stehen.“

Diese beiden konträren Sichtweisen auf den Bitcoin machen deutlich, welch tiefe Gräben der technologische Fortschritt in einer doch eher traditionellen Branche wie der Finanzindustrie hinterlassen kann – in einer Zeit, in der Dauerniedrigzinsen und kostenintensive Regulierung für die Akteure ohnehin schon belastend sind.

Ob man nun an den Bitcoin als Ablöser des US-Dollars glaubt oder nicht, ist eigentlich egal. Fakt ist, dass sich auch Finanzdienstleistungen den disruptiven Tendenzen nicht entziehen können. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman sorgt die Digitalisierung, die ganz neue Wettbewerber auf den Plan ruft, in zehn bis 15 Jahren womöglich dafür, dass von den derzeit rund 1.900 Banken in Deutschland nur noch 150 bis 300 übrig bleiben werden. Der Report macht eine neue Gruppe von Akteuren wie Finanz-Startups und globale Technologiekonzerne wie Google, Amazon oder Alibaba dafür verantwortlich, die durch ihre technologischen Fähigkeiten und ihren finanziellen Handlungsspielraum eine besondere Bedrohung für traditionelle Bankenmodelle sind, zumal sich auch die Erwartungshaltung der Kunden verändern würde.

Es sind aber nicht nur die Banken, die vor gravierenden Veränderungen stehen. Joseph Sullivan, Chef des US-Vermögensverwalters Legg Mason, warnt in einem Interview mit der britischen Financial Times vor den disruptiven Zeiten für die Asset Management Branche: „Die Investmentindustrie sieht sich mit einem extremen Wettbewerbsdruck konfrontiert. Die große Nachfrage nach passiven Anlageprodukten setzt bestehende Gebührenstrukturen unter Druck und neue Technologien verändern jeden Aspekt des Asset Managements bis ins kleinste Detail.“

Bei allen diesen Veränderungen stehe der Kunde stets im Fokus, wird gerne und häufig betont. Denn er ist zentraler Angelpunkt der Plattform Ökonomie, bei der es im Prinzip nur darum geht, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Werden die „digitalen Matchmaker“ also bald auch Anleger und passende Investmentprodukte „verkuppeln“?

Tatsächlich gewinnen Finanz-Startups laut dem FinTech Adoption Index 2017 der Unternehmensberatung EY an Akzeptanz: Internetbasierte Produkte neuer Finanzdienstleister wie etwa Online-Finanzierungen werden von 35 Prozent aller Internetnutzer auch in Anspruch genommen. Das sei laut EY fast eine Verdreifachung der Nutzungsrate im Vergleich zur Vorjahresbefragung. Besonders offen seien deutsche Nutzer auch für den digitalen Geldtransfer und Bezahlmethoden, die von FinTechs bereitgestellt werden. Zurückhaltender sind die Befragten dagegen bei der Finanzplanung.

Das ist wenig überraschend, da die Deutschen ohnehin extrem konservativ und schon bei der Wahl der Anlegeprodukt kaum bereit sind, Risiken einzugehen. Wobei die dauerhaft niedrigen Zinsen den Sparern nun aber doch weh zu tun scheinen. Das zumindest legt eine repräsentative Studie der Gothaer Asset Management nahe, die von der forsa Politik- und Sozialforschung im Januar 2018 durchgeführt wurde. Anlageformen, die mehr Rendite erwarten lassen, erfreuen sich demnach steigender Beliebtheit. Jeder fünfte Deutsche investiert mittlerweile in Fonds, im Vorjahr waren es 17 Prozent. Entsprechend nimmt auch die Risikobereitschaft der Bundesbürger wieder zu: 26 Prozent der Befragten wären bereit, bei der Geldanlage zu Gunsten einer höheren Rendite auch ein höheres Risiko einzugehen. 2017 waren es mit 20 Prozent noch sechs Prozentpunkte weniger.

Die Zeichen stehen also eindeutig auf Wandel – bei Anlegern, Kreditinstituten und Vermögensverwaltern gleichermaßen. Und wenn der Wind der Veränderung weht, das besagt ein chinesisches Sprichwort, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen. Wir werden wohl künftig weitere neue Trends an den Börsen erleben, auch wenn wie im Fall des Bitcoins nicht immer klar ist, welcher tatsächliche Wert hinter den gigantischen Kurssteigerungen steht. Wir werden sicherlich auch eine starke Konsolidierung der Branche erleben, denn nicht jedes Kreditinstitut und nicht jeder Asset Manager wird dem wachsenden Druck, den gestiegenen regulatorischen Anforderungen oder den neuen Kundenwünschen gewachsen sein. Und wir werden neue Formen von Anlageprodukten sehen, die losgelöst von bekannten Strukturen investieren, um für Anleger auch in Zeiten von dauerhaft niedrigen Zinsen Rendite zu erzielen. Denn die wird insbesondere in den Industrienationen aufgrund des demografischen Wandels für die Altersvorsorge der Menschen dringend benötigt.

Wirtschaft
März 2024
Helmut Dammann-Tamke, Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV)
Beitrag

Bedrohte Arten schützen

Der Deutsche Jagdverband steht für Biodiversität auch in der Landwirtschaft. Ein Gespräch über Rebhühner, Füchse und Wildpflanzen.