Mit Tradition in die Zukunft

Seit vielen Jahrzehnten bewährt und doch sehr modern – Messen setzen nach wie vor Trends, wie man in München mit zahlreichen digitalen Initiativen zeigt. Ein Interview mit Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München.
Das Atrium des Messegeländes in Riem: ein Ort für Austausch und Netzwerkpflege
Messe München Beitrag

Herr Dittrich, Messen haben eine lange Tradition als Markplatz und Branchentreff. Doch haben sie in einer digitalen Welt auch eine Zukunft?
Die Digitalisierung ist kein neuer Trend. Sie nimmt seit Jahren zu – genauso wie die Aussteller- und Besucherzahlen auf den vielen internationalen Branchentreffen, die wir als Messe München ausrichten. Das zeigt uns, dass die Face-to-Face-Kommunikation nicht durch das Internet zu ersetzen ist. Wir tragen der großen Nachfrage aktuell übrigens auch mit dem Neubau der Hallen C5 und C6 Rechnung, die im Dezember feierlich eingeweiht werden.  

 

Was ist das Besondere an Ihrem Neubau?
Wir stellen Flexibilität in den Vordergrund, die für unsere Kunden immer wichtiger wird. Das neue Messe München Conference Center Nord bietet vielseitig nutzbare Konferenzräume und -säle, die mit der Halle C6 verbunden und dank mobiler Trennwände unterschiedlich einsetzbar sind. Es gilt heute mehr denn je, verschiedene Veranstaltungsformate und -größen bedienen zu können.

 

Reicht das schon aus, um zukunftsfähig zu bleiben?
Nein, wir müssen moderne, digitale Prozesse und Systeme nachhaltig in den Veranstaltungen und auch in der Organisation verankern. Die Frage lautet nicht: Messe oder digitale Welt? Sondern vielmehr: Wie können sich beide Seiten am besten ergänzen?

 

Wie können sie sich ergänzen?
Als Messe München setzen wir auf ein internationales Miteinander von Kunden, Ausstellern und Besuchern, um gemeinsam die Chancen der digitalen Transformation zu ergreifen. Ein Beispiel ist sicherlich die wichtigste Messeplattform der Sportbranche, die ISPO, die schon lange viel mehr als ein Marktplatz ist und als Vorreiter für die digitale Zukunft gilt.

 

Was macht die ISPO zum digitalen Vorbild?
Neben der eigentlichen Veranstaltung bietet sie eine Reihe von Services und Plattformen, online und offline, die 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag von überall auf der Welt zugänglich sind. Auf dem Content-Portal ISPO.com präsentieren wir beispielsweise News und Stories aus dem internationalen Sport-Business. Darüber hinaus gibt es eine Open-Innovation-Plattform, über die wir Endverbraucher in die Entwicklung von Produkten einbeziehen. In der User-Experts-Community sind mittlerweile schon 50.000 internationale Nutzer registriert.

Profitiert auch der Fachhandel von dieser Digitalisierungsinitiative?
Die Sportbranche ist im Umbruch, und gerade der Fachhandel sieht sich im Vertrieb durch die Online-Konkurrenz unter Druck. Deshalb stellen wir Unternehmen mit unserem Digital Readiness Check auf den digitalen Prüfstand. Das Ergebnis in der ersten Runde zeigt: Fachhändler wissen, dass sie etwas tun müssen, jedoch nicht, wo sie ansetzen sollen. Hier bieten wir mit ISPO Digitize ein neues Format, das erstmals im Juni dieses Jahres stattgefunden hat – eine Art Zukunftslabor für den Sportfachhandel, Hersteller und Marken.

 

Die Digitalisierungsinitiative rund um die ISPO ist ein Beispiel. Wie sieht es in anderen Branchen aus?
Auch hier arbeiten wir intensiv an neuen, zukunftsfähigen Projekten. Wegweisend ist hier sicherlich das Real Estate Innovation Forum, mit dem unsere Immobilienmesse EXPO REAL die Branche beim digitalen Aufbruch unterstützen will. Dahinter steht ein starkes Netzwerk an Partnern aus Industrie, Wissenschaft und internationalen Start-up-Initiativen. Vereinfacht ausgedrückt bringen wir so erfolgreich junge Technologie- und etablierte Immobilienunternehmen für Pitches oder TechTalks zusammen.

 

Digitalisierung hat nicht nur Vorteile. Wie gehen Sie mit den Risiken um?
Auch die haben wir natürlich im Blick. Mit der Command Control haben wir eine interaktive Austauschplattform speziell für Entscheider entwickelt. Premiere war im September dieses Jahres mit über 800 Teilnehmern aus 14 Ländern. Neben Strategien zur Abwehr von Bedrohungen setzen wir in diesem Rahmen sehr bewusst den Fokus auf die Chancen, die Cybersicherheit für Unternehmen bietet. Wir glauben, dass eine positive Haltung gegenüber der Digitalisierung und Cybersicherheit wesentlich förderlicher ist. Eine zweite Auflage der Command Control ist für das Frühjahr 2020 geplant.

 

Insgesamt nimmt Deutschland bei der Digitalisierung nicht unbedingt eine Vorreiterrolle ein. Schauen Sie mit Ihren Initiativen auch über die Landesgrenzen hinweg?
Wir richten führende internationale Branchentreffs aus, eine globale Sichtweise ist für uns als Messeveranstalter ohnehin sehr wichtig. Darüber hinaus finden Sie Vordenker, Innovationsschmieden oder Lösungen für die Zukunft selten direkt vor Ihrer Haustür oder im eigenen Umfeld. Mit einem neuen, exklusiven Format, unseren Innovation Journeys, nehmen wir deshalb eine kleine Gruppe Unternehmer und Macher mit auf eine Reise zu eben jenen digitalen Querdenkern. Im März dieses Jahres war beispielsweise die South by Southwest in Austin, Texas, Ziel unserer Innovation Journey. Und der größte Digital-event der Welt war absolut überwältigend und inspirierend.

 

Ihre vielschichtigen Digitalisierungs-initiativen zeigen, dass sich die Messe München auf den Weg gemacht hat. Aber: Wird es für die Zukunft reichen?
Ich glaube, ein Schlüssel zum Erfolg ist, das Technologie-Verständnis im Unternehmen in der Breite zu entwickeln. Und das ist keine reine Aufgabe der IT-Abteilung, sondern muss zur Chefsache erklärt werden. Wir müssen erkennen, wie die Muster digitaler Konzepte funktionieren und die richtigen Tools dafür einführen. Daran arbeiten wir kontinuierlich und ich bin überzeugt, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Allerdings ist es ein Weg, auf dem man sich permanent bewegen muss. Und dafür braucht es eine Transformation unserer Kultur und Werte.

 

Transformation von Kultur und Werten ist leicht gesagt, aber vermutlich deutlich schwieriger in der Umsetzung.
Absolut! Das erleben wir doch alle täglich. Alte Denkmuster sind einfach  angenehm. Darin kennen wir uns aus. Ich selbst ertappe mich immer wieder innerhalb meiner Komfortzone. Aber ich ertappe mich immerhin. Deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass wir frohen Mutes in die Zukunft blicken können.  

 

www.messe-muenchen.de

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