Die Mär vom sicheren Hafen

Die meisten Anleger wünschen sich Rendite gepaart mit Sicherheit und Verlässlichkeit. Sie vergessen, dass beides schon in der Seefahrt nicht möglich ist.
Illustrationen: Wyn Tiedmers
Illustrationen: Wyn Tiedmers
Julia Thiem Redaktion

Beständigkeit, Werterhalt, eine Konstante – gerade in unsicheren Zeiten ist der Wunsch nach Sicherheit groß. Das gilt vor allem für die Geldanlage, weshalb viele Anleger derzeit vermehrt nach sicheren Häfen Ausschau halten. Ursprünglich waren mit dem englischen Begriff „safe haven“ einmal Hartwährungen gemeint. Derweil wird alles zum sicheren Hafen deklariert, was auch nur annähernd als abgekoppelt von negativen realwirtschaftlichen Entwicklungen gilt – Gold, Immobilien, Rohstoffe, manche Währungen wie der Schweizer Franken und zwischenzeitlich sogar der Bitcoin. „Sicher“ macht diese „Häfen“, dass bei einem voraussichtlichen Verkauf mindestens derselbe Realwert erzielt werden kann wie beim Ankauf – so zumindest die Hoffnung. Garantiert ist das aber nicht.

 

Diese Suche nach dem heiligen Gral der Geldanlage ist nämlich völlig absurd. Das zeigt sich vor allem, wenn man sich verinnerlicht, wofür ein Hafen in der Seefahrt eigentlich da ist. Schließlich hat sich die Finanzbranche den Begriff dort entliehen. Ein Hafen ist so etwas wie ein Parkplatz. Dorthin kommen die Schiffe zurück, wenn die Arbeit verrichtet, die See zu rau oder die Saison vorbei ist. Gemacht sind Schiffe jedoch für die See. Dort verdienen sie Geld und sorgen für Umsatz, nicht im Hafen. Im Gegenteil: Wer zu lange im sicheren Hafen liegt, hat kein Einkommen, muss aber dennoch für den Liegeplatz zahlen und sein Schiff im schlimmsten Fall sogar verkaufen.  


Übertragen auf die Geldanlage heißt das: Anleger sollten sich nicht auf sichere Häfen kaprizieren, sondern sich vielmehr auf den eigentlichen Nutzen eines Hafens besinnen. Das Geld wird draußen verdient, auf offener See. Gut möglich, dass man dort auch schon mal von einem Sturm und einer raueren See überrascht wird. Das kennt jeder Kapitän. Viele dieser Stürme lassen sich jedoch meistern, ohne gleich den nächsten Hafen anzulaufen.


Seefahrt ist, genau wie die Geldanlage, schlicht und ergreifend immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Mit der richtigen Strategie lassen sich diese Risiken jedoch beherrschen. Und auch hier ist die Analogie zur Seefahrt einfach herrlich. Denn Strategie meint, dass man mit einem solide gebauten Schiff unterwegs ist, sowohl den Heimat- als auch den Zielhafen kennt und weiß, auf welcher Route man in welcher Zeit dahingelangen möchte. Von dieser Strategie sollte man sich nicht abbringen lassen – außer, die See wird wirklich einmal zu rau. Dann ist es durchaus legitim, einen sicheren Hafen anzusteuern, sein Schiff, respektive das Kapital zwischendurch einfach mal zu parken, bis sich die See wieder beruhigt. Irgendwann muss man jedoch auch wieder in See stechen – oder aber man erreicht den Zielhafen nicht.


Wann die See übrigens zu rau wird, ist eine individuelle Entscheidung, die einem keiner abnehmen kann. Von ein paar Böen sollte man sich jedoch nicht verunsichern lassen – insbesondere dann nicht, wenn man gleich mit einer ganzen Flotte unterwegs ist. Dann kann man durchaus auch mal ein paar Schiffe „draußen“ lassen, um die Wetterlage zu testen, während die anderen Schiffe im sicheren Hafen warten – oder eben umgekehrt, je nach Risikoneigung.

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