Schuster, schau nach anderen Leisten

Immer mehr Unternehmen suchen außerhalb ihres klassischen Geschäftsfelds nach neuen Ideen, Märkten und Chancen. So entstehen Symbiosen, Partnerschaften und Kooperationen. Profiteure sind die Kunden.
Illustration: Ivonne Schulze
Julia Thiem Redaktion

Das alte Sprichwort „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ ist in Zeiten disruptiver Technologien, die ganze Branchengrenzen aufweichen, ein denkbar schlechter Ratgeber. Und so wundert es nicht, dass die schwedische Möbelkette Ikea ab sofort ins Versicherungsgeschäft einsteigt. „Hemsäker“ heißt die Kombination aus Haftpflichtschutz und Hausratversicherung, die in der Schweiz und in Singapur zwischen Sofas, Betten und Aufbewahrungslösungen nun mitangeboten wird. Hinter der Versicherungslösung steckt Iptiq, eine Tochter des Rückversicherers Swiss Re, die mit dieser Kooperation auf Schlag Zugang zu und Interaktion mit Millionen Kunden bekommt.


Solche Nachrichten werden wir künftig wohl öfter hören, wie das Beispiel Allianz unterstreicht: Dort versichert man ab sofort europaweit für den Mobilitätsdienstleister Uber sämtliche JUMP-Elektrofahrräder und E-Scooter. In Deutschland sind Ubers rote Stadtflitzer bereits in Berlin und München verfügbar. Dazu Claudius Leibfritz, Vorstand bei Allianz Partners und CEO Automotive: „Als globales und zukunftsorientiertes Unternehmen unterstützen wir die Weiterentwicklung neuer Mobilitätsformen durch innovative und passgenaue Versicherungslösungen und Services. Gemeinsam mit Uber wollen wir sicherstellen, dass JUMP-Nutzer bei Haftpflichtschäden verlässlich versichert sind und Geschädigte eventuelle Schäden erstattet bekommen.“


Es ist diese Fokussierung auf den Kunden, die Zusammenarbeit fördert und damit die Zukunft der gesamten Finanz- und Versicherungsbranche bestimmen wird. Und so wundert es auch nicht, dass 70 Prozent der Versicherer und InsurTechs im Rahmen des World InsurTech Reports 2019 von Capgemini und Efma angaben, sich auf ganzheitliche Lösungen für die Kunden zu fokussieren. „Die Versicherer werden von Partnerschaften mit InsurTechs profitieren, wenn der Markt immer dichter wird“, sagte Vincent Bastid, Generalsekretär von Efma. „Die Daten zeigen, dass Versicherer und InsurTechs bestrebt sind, Partnerschaften miteinander einzugehen, die letztendlich – in Form von erweiterten Produkten und Dienstleistungen – dem Kunden zugutekommen.“


Vor diesem Hintergrund werden InsurTechs wie auch FinTechs verstärkt als strategische Partner denn als Konkurrenz wahrgenommen. Vor allem letztere werden dabei zunehmend zu Technologielieferanten, richten sich also nicht mehr an den Endkunden, sondern direkt an Finanzdienstleister. So kündigt die Münchner Hawk AI GmbH beispielsweise an, dank künstlicher Intelligenz, Finanzbetrug und Geldschwäche künftig effizient beenden zu können. Und von Berlin aus will Aazzur eine Open-Banking-Revolution starten und Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen beim Aufbau digitaler, Kundenorientierter Services unterstützen.


Dieser digitale Vorstoß junger Startups in der Finanzbranche bleibt auch von Investoren nicht unbemerkt. Laut dem EY Startup-Barometer 2020 laufen Software-, FinTech- und Mobility-Start-ups dem E-Commerce den Rang ab und erhalten deutlich mehr Geld. 1,3 Milliarden Euro flossen alleine in FinTechs und das Segment legte auch bei der Finanzierungssumme ordentlich zu. Plus 95 Prozent. Welche Leisten von welchem Schuster kommen, wird gerade in der Finanzbranche offensichtlich immer unwichtiger.

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