App an den Kapitalmarkt

Jeder zehnte Bundesbürger zwischen 14 und 39 Jahren war 2019 in Aktien oder Aktienfonds investiert, so das Deutsche Aktieninstitut. Sie nutzen Internet, Smartphones und Apps. Doch bei der Wahl ihrer Anlageprodukte sind sie konservativ.
Illustration: Oliver Navarro Schrøder
Illustration: Oliver Navarro Schrøder
Andrea Hessler Redaktion

Wegen Corona gehen Unternehmen bank-rott, bei vielen Menschen wird das Geld knapp. Doch es gibt auch Profiteure. Dazu zählen nicht nur Streamingdienste wie Netflix oder Online-Händler wie Amazon. Auch Online-Banking erlebte in den vergangenen Monaten einen enormen Aufschwung. Kein Wunder, hatte man während des Shutdowns im Homeoffice genügend Zeit über die eigenen Finanzen nachzudenken, und sie gegebenenfalls durch die Eröffnung eines Online-Kontos oder -Depots zu optimieren.

Das amerikanische Clearingunternehmen Apex berichtet auf Basis seiner Kundendaten, dass quer über sämtliche Generationen hinweg schon zu Beginn der Coronakrise im März 2020 eine Rekordzahl an selbst gemanagten Wertpapierdepots eröffnet wurde. Diese lag deutlich über 300 Prozent des Monatsdurchschnitts von 2019. Die Neu-Investoren sind zudem besonders aktiv. Apex verbuchte im März rund 27 Millionen Käufe und Verkäufe, sogenannte Trades, von Wertpapieren – über 100 Prozent mehr als im Jahresdurchschnitt 2019. Besonders aktiv waren junge Menschen, die sogenannten Millennials, die zwischen 1980 und den späten 1990er Jahren geboren wurden. Diese Generation Y steigerte ihre Trades um mehr als 55 Prozent. Schneller Ausstieg, aber dann die Volatilität nutzen und zu günstigen Kursen wieder einsteigen – das haben gerade die jüngeren Anleger offensichtlich begriffen.

Kein Wunder. Millennials sind oft gut gebildet, wurden in die digitale Welt hineingeboren und sind es gewohnt, das eigene Leben online zu organisieren. Dazu zählen auch Finanzgeschäfte. So erstaunt es nicht, dass sie schnell lernen und sich beherzter als ältere Anleger auf dem Finanzmarkt bewegen. „Millennials agieren bei der Geldanlage deutlich eigenständiger als Ältere“, bestätigt Boris Strucken, Head of Innovation bei der Fidelity Services GmbH (FIS), einem Banken-Technologie-Provider. „Sie sind freizeitorientiert, achten auf Work-Life-Balance und wollen Convenience auch bei der Geldanlage. Viele von ihnen haben noch nie eine Bank von innen gesehen. Sie wollen selbst entscheiden und mobil mittels Apps direkt anlegen oder Depots von einem Robo-Advisor, einer Anlage-Software, automatisch verwalten lassen.“ Doch das Bild des sorglosen Party-Hipsters trifft zumindest in Gelddingen nicht zu. „Insgesamt zeigen sie ein sehr reifes Verhalten, agieren langfristig und realistisch. Sie zocken nicht, sondern setzen auf einfache und günstige Produkte wie Exchange Traded Funds (ETFs) und Indexzertifikate“, so Strucken.

Es bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig. Laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Kantar in mehr als 50 Ländern hat sich bei 52 Prozent der Millennials das Haushaltseinkommen wegen der Corona-Pandemie bereits verringert. 26 Prozent rechnen damit, dass dies noch passieren wird. Die Zukunftsangst bestimmt auch die Auswahl der Anlageprodukte, wie eine Studie der Santander Bank ergab: Greta und ihre Freunde mögen protestieren – für Anleger im Alter von 18 bis 38 ist im Gegensatz zu ihren Eltern Rendite jedoch wichtiger als Umweltschutz.

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