Das Einmaleins der Geldanlage

Wer Geld anlegen und erfolgreich vermehren will, sollte die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Kapitalmarktes besser verstehen.
Illustration: Luisa Jung by Masha Heyer
Julia Thiem Redaktion

Des einen Freud ist bekanntlich des anderen Leid. Während die Immobilienbranche boomt und die Preise scheinbar durch die Decke gehen – auch weil die Eigenheimfinanzierung dank der seit Jahren niedrigen Zinsen besonders erschwinglich ist –, kommt man als Anleger mit sicheren Investments im Niedrigzinsumfeld nicht mehr weit. Beispiel deutsche Staatsanleihen: Wollte Finanzminister Theo Waigel 1995 am Kapitalmarkt neue Schulden machen, musste er Anlegern für zehnjährige Staatsanleihen im Schnitt sechs Prozent Zinsen zahlen. Der aktuelle Amtsinhaber Olaf Scholz kommt da deutlich günstiger bei weg. 2018 lag die durchschnittliche Rendite nur noch bei 0,46 Prozent.


Gleichzeitig lag die Inflation in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2018 bei 1,9 Prozent. Mit anderen Worten: Die einstigen sicheren Anlagen wie deutsche Staatsanleihen, der Geldmarkt oder gar das Sparbuch machen heute nicht mehr reich. Inflationsbereinigt verliert man als Anleger Geld. Wer also auf der Risikoleiter nicht den nächsten Schritt wagt, vernichtet de facto sein Vermögen. Dennoch scheuen sich Anleger hierzulande vor risikoreicheren Wertpapieren. Selbst Aktien werden konsequent gemieden – obwohl Zahlen wie die des deutschen Aktieninstituts regelmäßig belegen, dass gerade ein langfristiges Engagement am Aktienmarkt mit einem ansehnlichen Plus auf dem Konto belohnt wird.

 

Fundamentale Fragen

 

Um also die Risiken und Chancen des Kapitalmarktes besser einordnen zu können, muss man zunächst die wirtschaftlichen Zusammenhänge besser verstehen. Denn auch wenn es medial, auf Bilanzpressekonferenzen und Investorentagen manchmal den Anschein hat, Wertpapiere seien allein für den Vermögensaufbau der Anleger gedacht, ist ihr eigentlicher Zweck ein anderer: Sie sollen die Wirtschaft mit Kapital versorgen.


Warum vermehrt sich mein Geld also überhaupt? Die Antwort ist eigentlich simpel: Es vermehrt sich immer dann, wenn ich es jemandem gebe und dafür entlohnt werde. Dieses Prinzip gilt für ein Engagement in Aktien ebenso wie für eines in Anleihen. Woher kommt dann also die Sicherheit, die eine Staatsanleihe einem Anleger vermittelt, und die vermeintliche Unsicherheit, die beim Aktienmarkt mitschwingt? Andreas Beck, Gründer und Vorstandssprecher des Instituts für Vermögensaufbau in München, hält das Risikothema für das größte Missverständnis bei der Kapitalanlage: „Ein Staat hat ein Steuermonopol und somit ein solides Einkommen. Doch fließen Steuererträge nur, wenn Bürger und Unternehmen im Land gut verdienen und Gewinne erwirtschaften. Letztendlich sind also auch ein Staat und damit die von ihm emittierten Anleihen von der Wirtschaft abhängig.“


Das erklärt, warum die krisengebeutelten Griechen oder auch die italienische Regierung Anlegern bei der Emission neuer Anleihen deutlich mehr Rendite bieten müssen als etwa der deutsche Staat. Insgesamt sei aber die Wahrscheinlichkeit einer Unternehmenspleite höher als die einer Staatspleite, räumt auch Beck ein. Daher zahlen Unternehmen, die beispielsweise weiteres Wachstum oder Expansionspläne am Kapitalmarkt finanzieren wollen – sei es über Anleihen, eine Aktienerhöhung oder neue Instrumente wie das Crowdinvesting –, in der Regel auch eine höhere Rendite, als es Staaten tun. Unsicherheiten, die mit einem höheren Risiko einhergehen, könne man jedoch leicht reduzieren, sagt Beck, und zwar, indem man sein Kapital nicht nur einem, sondern gleich einer ganzen Reihe von Unternehmen gibt, die im Idealfall über die ganze Welt verstreut sind: „Dann kann ich mein Geld auch als Eigenkapital in Aktien investieren und habe dennoch ein überschaubares Risiko.“

 

Aktien oder Anleihen?

 

Der nächste Schritt auf der Risikoleiter bedeutet für Anleger also, ihr Geld eher Unternehmen zu leihen oder aber auch Staaten, die wirtschaftlich nicht ganz so grundsolide daherkommen wie beispielsweise Deutschland, die Schweiz und andere Industrienationen. Damit bleibt aber noch die Frage, wie man sein Kapital auf Aktien und Anleihen verteilt. Während das Risiko bei Aktien von vielen Privatinvestoren als zu hoch eingeschätzt wird, ist es bei Anleihen die vermeintliche Komplexität, die Anleger abschreckt. Dabei ergänzen sich beide: Steigt der Aktienmarkt, heißt das in der Regel, dass es der Wirtschaft gut geht. In der Folge steigen die Zinsen und die Anleihekurse fallen. Fallende Anleihekurse sind wiederum eine gute Sache für Anleger. Aber um das zu verstehen, muss man zunächst die Funktionsweise des Anleihemarktes verstehen.


Anleihen sind Schuldverschreibungen eines Emittenten, werden also von einem Unternehmen oder einem Staat begeben. Wer ein solches Papier zeichnet, ist im Gegensatz zu einem Aktienkauf kein Eigentümer, sondern lediglich Gläubiger des Unternehmens oder Staates. Nach der Emission werden Anleihen wie Aktien auch an der Börse gehandelt. Wobei ihr Kurs, der ebenfalls durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird, in Prozent angegeben wird. Anleihen haben eine bestimmte Laufzeit, an deren Ende eine hundertprozentige Rückzahlung der Schulden steht – sofern es zu keinem Zahlungsausfall des Emittenten kommt. Fallende Anleihekurse bedeuten daher, dass eine Anleihe günstig – also unter den 100 Prozent, die am Ende der Laufzeit zu erwarten sind – gekauft werden kann und der Anleger somit einen Kursgewinn erwirtschaftet. Hinzu kommen noch die regelmäßigen Zinszahlungen, der sogenannte Kupon, die über die Laufzeit der Anleihe festgelegt sind. Die Rendite von Anleihen setzt sich also aus Zinskupon, Kurs und Laufzeit zusammen.

 

Der stete Tropfen

 

Letztendlich muss man seine Anlegeentscheidungen nach den eigenen Zielen und der individuellen Risikoneigung ausrichten – auch wenn es den „free lunch“, also die Rendite ohne Risiko, heute nicht mehr gibt. Grundsätzlich gilt am Finanzmarkt, der stete Tropfen höhlt den Stein. Wer kontinuierlich und diszipliniert investiert, braucht weder kurzfristige Risiken noch das falsche Marktiming fürchten.

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